Underground Culture in the Late Ottoman Empire and Turkey

Verantwortlich: Prof. Dr. Raoul Motika

Hauptkooperationspartner: Dr. Timour Muhidine (INaLCO)

Laufzeit: 2013 – 2020

In diesem Forschungsschwerpunkt, der im Rahmen eines internationalen Netzwerks etabliert wurde, sollen kulturelle Phänomene jenseits des kulturellen und sozialen Mainstreams in der Türkei erforscht werden, um das „andere“ Istanbul und die „andere“ Türkei und damit die Dynamik gesellschaftlicher und kultureller Entwicklungen in der Türkei besser verstehen zu können. Der zeitliche Rahmen reicht von der spätosmanischen Zeit bis in die Gegenwart. Disziplinäre Schwerpunkte sind Literaturwissenschaft, moderne Kunstgeschichte und Anthropologie. Beteiligt ist neben türkischen (z.B. Doç. Dr. Hülya Adak), deutschen und französischen Kolleginnen und Kollegen (IFEA und INaLCO) auch Prof. Dr. Laurent Mignon (Oxford).

Für die inhaltliche Arbeit wurden fünf Achsen verabredet, die aber bisher nur teilweise als konkrete Projekte durchgeführt werden:

  1. Literatur: zentrale Schriftsteller (von Neyzen Tevfik bis Küçük İskender), Trash Literature (seit den späten 1990er Jahren), feministischer Untergrund, Gay Literature usw.
  2. Publikationswesen: Fanzines, Underground chic-Publikationen (Norgunk, 6.45, Marjinal Kitap, etc.) und anarchistische Publikationen (gedruckt und online).
  3. Bildende Kunst: Karikaturen, Malerei (Yüksel Arslan und Cihat Burak als klassische Beispiele) und „Outsider Art“, als Newcomer in der türkischen Kunstszene sowie experimentelles Kino als weiteres Beispiel für diese besondere Ästhetik.
  4. Soziologie/Anthropologie: „Youth Tribes“ wie Motorradclubs, anarchistische Gruppen, die im Umfeld der Gezi-Proteste aufblühten, die „klassische Unterwelt“, Unterschichten und Ganoven (Kabadayı, Apaşlar, Apaçi) und die weit verbreitete LGBT-Kultur.
  5. Musik (Martin Greve/Fabio Salomoni): „klassischer“ Rebetiko (19.–20. Jh.), Rap und Heavy Metal, aber auch die Musik der Afro-Türken.

Die Motorradkultur der Türkei

Verantwortlich: Prof. Dr. Raoul Motika

Laufzeit: Seit 2013

Das Projekt beschäftigt sich mit der Geschichte des Verkehrsmittels Motorrad seit spätosmanischer Zeit und der sich darum entwickelnden Subkultur, die sich deutlich von der westeuropäischen Motorradkultur unterscheidet. Eine eigene Motorradproduktion mit zahlreichen Herstellern hat sich in der Türkei in den 2000–er Jahren zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt, wobei sich die zunehmend ausdifferenzierende Motorradkultur wegen des damit verbundenen Prestiges vorwiegend auf importierte Fahrzeugen bezieht. Im Fokus des Projekts stehen die historische Aufarbeitung und kleinere feldforschungsbasierte Untersuchungen zu einzelnen Subgruppen, die zumeist der türkischen Rockerszene angehören.

Sakallı Celal und die Bohème der frühen republikanischen Periode

Verantwortlich: Dr. Alexandre Toumarkine

Laufzeit: 2014–2017

In diesem kleinen Projekt geht es um die Person des „Sakallı Celal“, einem einflussreichen Denker und Philosophen, der als Bohème-Intellektueller zwar selbst keine Werke verfasst hat, jedoch zahlreichen Intellektuellen und Schriftstellern der damaligen Zeit als Referenz diente und sie beeinflusste.

International Workshop: Sociology of Marginal Youth

Verantwortlich: Dr. Timour Muhidine, Dr. Alexandre Toumarkine & Prof. Dr. Raoul Motika

Veranstaltungsdatum: 19. November 2015

Hauptkooperationspartner: INaLCO

Am 19. November fand im Rahmen der internationalen Konferenz „Translating Social Sciences from Arabic, Turkish and Hebrew“ (Veranstalter: INaLCO (Paris), IFEA, Galatasaray Universität, Orient-Institut Istanbul) am OII der fünfte Workshop des Forschungsschwerpunkts statt, diesmal zum Thema „Sociology of Marginal Youth“. Im Zentrum der Diskussion stand das Thema der „Youth tribes“ und sein Ausdruck in sozialen und literarischen Formen. Dazu wurden vier Vorträge gehalten: (1) der Vortrag von Raoul Motika über die transnationalen deutsch-türkischen Aspekte von „Rockerclubs“; (2) Hülya Adaks literaturwissenschaftliche Analyse der Darstellung von homosexueller Liebe in den Romanen von Perihan Mağden; (3) Timour Muhidines Ausführungen zu Schlägertypen in Untergrundliteratur und (4) die Arbeit von Ömer Miraç Yaman, der über die sogenannten „Apaçi“, ein jugendliches Arbeiterklassenmilieu in den Randbezirken Istanbuls, forscht.

International Workshop: Istanbul Underground – L’Underground contre les arts

Verantwortlich: Dr. Timour Muhidine & Dr. Alexandre Toumarkine

Veranstaltungsdatum: 27. Mai 2015

Hauptkooperationspartner: INaLCO

Am 27. Mai 2015 fand unter Beteiligung von A. Toumarkine der vierte Workshop des Netzwerks zum Thema „Istanbul Underground – L’Underground contre les arts“ in Paris statt. Der Workshop wurde gemeinsam organisiert mit dem Institut d’études de l’Islam et des sociétés du monde musulman. Die Themen der Vorträge bewegten sich von öffentlichen Tanzperformances während der Gezi Proteste bis hin zur Darstellung der „marginalisierten Stadt“ in neuen türkischen Graphic Novels. Marc Kober (Université Paris 13, PLEIADE) stellte eine weiter entwickelte Version seiner Forschungen zu Yüksel Arslan, einer zentralen Persönlichkeit der türkischen und Pariser Underground-Kultur vor. Victoire Bech (Verantwortlicher des Projekts „la démarche HQAC“) präsentierte einen Vortrag zum Thema „Urban and architectural experimentation for a new usage of public space“.  Judith Mayer (Université Paris 13) befasste sich mit dem Thema „Performance and social protest: the standing dancers of Gezi Park“. Perin Yavuz (Institut d’études de l’Islam et des sociétés du monde musulman) stellte ihre aktuellen Forschungen zur Konzeptkunst in Istanbul in den 1970er Jahren vor. Timour Muhidine (Institut national des langues et civilisations orientales) referierte zu „From Caricature to the Graphic Novel: the marginal city“.

International Workshop: Underground Cultures

Verantwortlich: Dr. Alexandre Toumarkine, Dr. Timour Muhidine & Prof. Dr. Raoul Motika

Veranstaltungsdatum: 26. – 27. September 2014

Hauptkooperationspartner: INaLCO

Dieser Workshop beschäftigte sich mit verschiedenen Kulturbereichen der Türkei jenseits des Mainstreams. Hülya Adak (Sabancı Universität) trug zum kurdischen Theater in Istanbul vor, Laurent Mignon (Universität Oxford) zur weitgehend vergessenen, frührepublikanischen Autorin Nezihe Muhittin, die einen später verbotenen sado-masochistischen Roman über einen Massenmörder verfasst hatte. Als neues Mitglied im Projektnetzwerk präsentierte Erik Mortenson (Koç Universität) die frühe Rezeption der Beatniks in der Türkei, die in den letzten Jahren wieder auf großes Interesse gestoßen sind. Alain Servantie berichtete über Edmond Fazy, einer zentralen Figur des internationalen kulturellen Undergrounds vom Beginn des 20. Jahrhunderts, der ausführlich seine Erfahrungen in Istanbul beschrieben hat. Timour Muhidine (Institut national des langues et civilisations orientales) beschäftigte sich mit dem 2013 verstorbenen Schriftseller Metin Kaçan, der eine der buntesten Figuren des Istanbuler Untergrunds war. Marc Kober (Université Paris 13) diskutierte anhand des berühmten türkischen Malers Yüksel Arslan, der in den 1960– bis 80–er Jahren der Pariser Bohème angehörte, wo die Grenzen des „Underground“-Ansatzes liegen. Martin Greve (Orient-Institut Istanbul) hingegen analysierte eine Gruppe, deren Marginalisierung offensichtlich ist, Musiker aus Dersim, die in Istanbul leben und eine deutlich politische Komponente des Underground vertreten. Raoul Motika (Orient-Institut Istanbul) diskutierte dann von einem soziologisch-anthropologischen Ansatz ausgehend am Beispiel von Istanbuler Rockergruppen die Entstehung von „youth tribes“ in der Türkei. Diese Diskussion wurde dann auch von Pierre Hecker (Universität Marburg) mit Beispielen aus seiner Dissertation zum türkischen Metal Rock bereichert.

International Workshop: Marginality and Underground Trends in the Big City

Verantwortlich: Dr. Alexandre Toumarkine, Dr. Timour Muhidine & Prof. Dr. Raoul Motika

Veranstaltungsdatum: 24. Oktober 2013

Hauptkooperationspartner: INaLCO

Der Workshop gliederte sich in zwei Teile. Zunächst stellten die Teilnehmer kurz ihre jeweiligen Forschungspläne zum Thema „Istanbul Underground“ vor und diskutierten konzeptionelle Fragen zu drei zentralen Themen des neuen Forschungsschwerpunktes. Im Bereich der Literatur drehte sich die Diskussion primär um eine geeignete Konzeptualisierung randständiger Poeten, damit sowohl verschiedene Tendenzen als auch spezifische historische und soziale Umstände berücksichtigt werden können. Neben einer Vertiefung der Diskussion, die bereits im Auftakt-Workshop im Februar 2013 begonnen wurde, einigte man sich erstens darauf, sich auch mit einigen, später durchaus etablierten Autorinnen und Autoren wie Peyami Safa zu beschäftigten, die sich an bestimmten Stationen ihrer literarischen Karriere mit Themen außerhalb des Mainstreams und am Rande der üblichen sozialen und kulturellen Konventionen bewegt hatten. Zweitens sollen im Rahmen des Vorhabens auch Zensurpraktiken, insbesondere gegenüber anarchistischer und pornographischer Literatur analysiert werden. Im Bereich „Musik“ wurde auch die Frage einer Sammel-CD diskutiert, die die verschiedenen Gesichter von „Underground“-Musik dokumentieren sollte. Interessante Richtungen sind dabei Rebetiko für das 19.–20. Jahrhundert, Rap und Heavy Metal aber auch die Musik der Afro-Türken. Selbst viele Arabesk-Musiker haben häufig eine „Underground“-Periode durchlebt. Ein weiteres wichtiges Untersuchungsgebiet sollen die sogenannten „Großstadt-Tribes“ wie die Fußball-Fanclubszene und die verschiedenen organisierten Bikergruppen sein, deren Aufschwung als sozio-kulturelle Gruppen sich beispielsweise auch in der rezenten Literatur und den Graphic Novels widerspiegelt.

Am Nachmittag gab der Schriftsteller und Arzt Altay Öktem, ein Fachmann für Jugend- und Underground-Kultur und Autor eines Sammelbands zu Fanzines, mit seinem Vortrag „Istanbul Fanzinlerine bir Bakış“ eine umfassende Einführung in die komplexe Welt der türkischen Fanzine-Kultur. Bereits 2002 hatte er die erste Fanzine-Ausstellung im Kargart Sanat Merkezi organisiert. Außerdem ist er als Herausgeber aktiv und verantwortet die Reihe Marjinal Kitap beim Laika Verlag in Beyoğlu.

International Workshop: „Underground Culture – Launching the Project“

Verantwortlich: Dr. Alexandre Toumarkine & Dr. Timour Muhidine

Veranstaltungsdatum: 23. Februar 2013

Hauptkooperationspartner: INaLCO

Dieser Auftakt-Workshop des Forschungsschwerpunkts beschäftigte sich in erster Linie mit konzeptionellen Fragen und der Einordnung unterschiedlicher kultureller und gesellschaftlicher Phänomene. Eine klare Definition des Konzepts Underground erwies sich als sehr schwierig, da die jeweiligen Phänomen je nach historischem Kontext und Standpunkt des Betrachters ganz unterschiedlich eingeordnet werden können und auch unter differierenden Begriffen gefasst wurden und werden, beispielsweise dem der Bohème. Um den Forschungsschwerpunkt operationalisierbar zu machen, wurden vier thematische Achsen definiert: (1) Literatur mit Phänomen wie Trash Literature (ab den späten 1990er Jahren), feministischer Underground, Schwulenliteratur und nahezu unbekannte und vergessene marginalisierte Autoren, die das „andere Istanbul“ besser verstehen helfen; (2) die Welt der Publizisten von Fanzines, des sogenannten „Underground chic“ (Norgunk, 6.45, Marjinal Kitap, etc…) und der  Anarchisten (gedruckt und online). Wichtig ist dabei die Untersuchung des spezifischen Raums für solche Bücher und Zeitschriften. (3) Bildende Kunst mit Karikaturen, Malerei und der rezenten Strömung der „Outsider Art“; (4) experimenteller Film und (5) gesellschaftliche Phänomene wie „Youth Tribes“, anarchistische Gruppen, die klassische Unterwelt und Gangster (Kabadayı, Apaşlar, Apaçi) und sozial marginalisierte Gruppen, die LGBT-Subkulturen.