Andrea Weiss (Central European University Budapest)

Türkische, muslimische Georgier? Die historische georgische Diaspora in der Türkei und ihre Beziehung zu Adscharien / Georgien heute

Die Expansion des Russischen Reiches im Kaukasus auf Kosten des Osmanischen Reiches zog unfreiwillige Wanderbewegungen von Muslimen aus dieser Kontaktzone zwischen beiden Reichen nach sich. Vom beginnenden 19. Jahrhundert bis zur frühen Sowjetzeit siedelten georgische Muslime ins Osmanische Reich als sogenannte Muhadschir über, bzw. verblieben durch die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Gebiet der Türkei. Vor allem  die Region Adscharien am Ufer des Schwarzen Meeres, heute eine Autonome Republik Georgiens an der Grenze zur Türkei, verkörpert diese wechselvolle Geschichte. Das Forschungsprojekt von Andrea Weiss befasst sich mit der georgischen Diaspora in der Türkei und deren Kontakte nach Adscharien/Georgien seit der Grenzöffnung 1988. Die meisten Georgier verbinden die Zugehörigkeit zur georgischen Nation mit einem Bekenntnis zum orthodoxen Christentum. Dies hat im post-sowjetischen Georgien dazu geführt, dass sich muslimische Georgier, ca. ein Drittel der Bevölkerung Adschariens, an den Rand gedrängt fühlen. Vor diesem Kontext ist die Identifikation der überwiegend muslimischen georgischen Diaspora in der Türkei mit dem Herkunftsland problematisch. Infolge der Jahrzehnte währenden Trennung durch den Eisernen Vorhang erschienen georgische Muslime in Adscharien ihrer türkischen Verwandtschaft jedoch sowjetisiert und kaum noch als richtige Muslime. Dennoch pflegen auch gläubige, muslimische Georgier aus der Diaspora Kontakte nach Adscharien. Das Projekt untersucht, wie sich diese Situation in Adscharien in der inneren Dynamik der georgischen Diaspora hinsichtlich des Themas Religion widerspiegelt.