Iran: Klassische Musik und Gesellschaft
Projektleitung: Dr. des. Kamyar Nematollahy, Musiker und Musikethnologe an der Universität zu Köln.
Das Projekt untersucht die wechselseitige Beziehung zwischen iranischer klassischer Musik und den sozio-politischen Verhältnissen des Landes in der jüngeren Vergangenheit. Ziel des Projekts ist es, die Dynamik des Wandels in der iranischen Musik im Kontext verschiedener gesellschaftspolitischer Faktoren wie Staatsideologie, Selbstreflexion, kollektiver Identität, Modernisierung und Globalisierung aufzuzeigen. Des Weiteren werden die Funktionen, die Musik bei der Konstruktion oder Imagination einer kollektiven Identität im Iran erfüllt, analysiert.
In drei Artikeln werden die Forschungsergebnisse entsprechend den genannten Untersuchungsbereichen vorgestellt:
„Iranische klassische Musik. Virtueller Raum, realer Wandel“.
Dieser Beitrag untersucht den Einfluss sozialer Medien auf performative und soziale Aspekte der iranischen klassischen Musik. Um die Veränderungen zu beleuchten, die die sozialen Netzwerke in den Praktiken und sozialen Kontexten der iranischen Musik bewirken, werden Methoden verschiedener Disziplinen wie Musikwissenschaft, Sozialanthropologie und Medienwissenschaften eingesetzt. Eine der wichtigsten Quellen für diese Forschung sind die relevanten Text-, Bild- und Audio-Daten im Internet. Die wichtigsten Plattformen, über die Daten gesammelt werden, sind Instagram und Telegram, da diese bei Iranern sehr beliebt sind und als Orte des Austauschs und der Verbreitung von Informationen zentrale Bedeutung haben. Zur Analyse iranischer Musik im Kontext der neuen Medien und des Internets – ein im Bezug auf Iran bisher wenig erforschtes Thema – hat Nematollahy eine Online-Feldforschung durchgeführt, die sowohl Teilnehmende Beobachtung als auch Interviews mit in den sozialen Medien aktiven Musikern umfasst.
„Iranische Musik und die Konstruktion kollektiver Identität vor und nach der Revolution: die 1970er und 1980er Jahre“.
Dieser Artikel untersucht die Wechselwirkung zwischen klassischer iranischer Musik und kollektiver Identität im Iran vor allem in den ersten Jahren nach der islamischen Revolution. Eines der zentralen Themen dieses Beitrags ist die Beziehung zwischen der Musikreihe Chāvosh als einflussreichste Serie von Musikproduktionen der späten 1970er und 1980er Jahre und den sozio-politischen Verhältnissen in Iran. Neben den sozialen und politischen Aspekten von Chāvosh werden auch die technischen Aspekte dieser Kompositionen anhand von Musik- und Liedtexttranskriptionen analysiert. Dies stellt in der wissenschaftlichen Forschung zu iranischer Musik einen neuartigen Ansatz dar. Der Artikel basiert auf Interviews mit einflussreichen Musikern darüber, wie sie Identität wahrnehmen und wie diese sich in ihr Werk überträgt.
„Musikinstitutionen als Weg zum Verständnis iranischer Musik“.
Die Zahl nichtstaatlicher Musikinstitutionen im Iran hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dieser Artikel untersucht die verschiedenen Instrumente und musikalischen Gattungen, die in einigen der bekanntesten Institute Teherans unterrichtet werden. Darüber hinaus werden die musikalischen Aktivitäten verschiedener Altersgruppen und Geschlechter verglichen. Ein Hauptziel dieses Forschungsprojekts ist es, den Musikgeschmack der Iraner in verschiedenen Altersgruppen aufzuzeigen. Außerdem soll der Stellenwert der klassischen iranischen Musik im Musiklehrplan thematisiert werden, da sich die musikalischen Trends in Iran im Laufe der Zeit verändern. Die Daten werden durch Beobachtungen und Feldforschung in Musikinstituten in Teheran erhoben. Darüber hinaus sollen die hier gewonnenen Einblicke in iranische Musikinstitute künftige internationale Kooperationen auf dem Gebiet der Musikwissenschaft erleichtern.