Şafak Kılıçtepe (Indiana University, Bloomington)
Der Pronatalismus des High Tech-Staates und die Reproduktion kurdischer Frauen in der Türkei

Şafak Kılıçtepe ist Doktorandin im Fach Medizinanthropologie an der Indiana Universität, Bloomington. In ihrem Dissertationsprojekt untersucht sie, ob und in welchem Maße die Erfahrungen von Reproduktion und Infertilität von Frauen in politischen Spannungsgebieten der Türkei von der sich verändernden Minderheitenpolitik sowie dem politischen Islam beeinflusst werden. Dabei soll in einem interdisziplinären Ansatz die Methodik der Multi-Sited Ethnography zum Einsatz kommen. In diesem Kontext werden die Erfahrungen insbesondere sunnitischer kurdischer Frauen unterschiedlicher sozio-ökonomischer Statusgruppen erhoben und schwerpunktmäßig die Bereiche Assistive Reproduktionstechnologien (ART), In-vitro-Fertilisation (IVF) und die diesbezüglichen Regulierungen untersucht.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Fragen zum Zugang und Transformationspotenzial von ART: für wen und wie sind Assistive Reproduktionstechnologien zugänglich, wie werden diese Wege ausgehandelt, und wie beeinflussen solche Technologien das Alltagsleben sowie die demographische Struktur? Diese Themen sind eng verknüpft mit – sich ändernder – staatlicher Politik, der Konstruktion des Nationalstaats und den ART-Regulierungen. Die erwünschten Kriterien von Staatsbürgerschaft bestimmen auch den Gebrauch und Zugang zu ART. Zentrale Fragen des Forschungsprojekts sind, wer in diesem Sinne „idealer“ Staatsbürger ist, wer nach welcher Definition als „ideal“ angesehen wird, sowie die Rolle kurdischer Frauen innerhalb dieser Definition. Daher ist auch die Frage wichtig, wie sich die Erfahrungen kurdischer Frauen bezüglich der Reproduktion von denen der als „ideal“ betrachteten Staatsbürgerinnen unterscheiden? Auf diesem Wege sollen neu entstehende Familienstrukturen und Geschlechterverständnisse mitsamt ihrer Verortung innerhalb der Definition des „Idealen“ beleuchtet werden.