Polina Ivanova (Harvard University, Department of History)

Migration, Besiedlung und Wandel der Kulturlandschaft im mittelalterlichen Anatolien

Polina Ivanova ist Doktorandin am Fachbereich Geschichte der Harvard Universität. Ihre Dissertation behandelt die Geschichte der Migration und Besiedlung und damit des Wandels der Kulturlandschaft in Anatolien zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert. Ihre Forschung fokussiert sich auf die Region des zentralen Pontusgebirges und untersucht die kulturellen Transformationsprozesse des mittelalterlichen Anatolien auf lokaler Ebene. Betrachtet man das zentrale Pontusgebirge des frühen 11. Jahrhunderts, so würde man die Region als Teil der byzantinischen Welt einordnen. Sieht man jedoch den gleichen geographischen Raum im Zeitraum der folgenden zwei Jahrhunderte an, so multiplizieren sich die Interpretationsmöglichkeiten. Abhängig von den jeweils betrachteten Quellengruppen könnte man dieses Gebiet alternativ als westlichen Rand des Großirans, als Randgebiet des westlichen Armeniens, als Teil des Emirats der Danischmendiden, des Sultanats der Rum-Seldschuken und des Reichs der Ilchane oder als die Wiege des Babaī-Aufstands und als eine der Geburtsregionen des anatolischen Alevitentums interpretieren.

Die Bewohner des mittelalterlichen Anatolien sprachen und verstanden mehrere Sprachen: verschiedene Muttersprachen und visuelle Sprachen, Regierungssprachen und Sprachen des Heiligen. Sie bewohnten den gleichen geographischen Raum und doch hatten sie gänzlich verschiedene Vorstellungen von diesen Räumen. Die Dissertation untersucht und vergleicht die Prozesse, mit denen Einwohner des mittelalterlichen zentralen Pontusgebirges konkurrierende und ergänzende Visionen dieser Region durch Nutzung der natürlichen Umgebung, Bautätigkeit, Namensgebung und anderer Formen des kollektiven kulturellen Gedächtnisses geschaffen haben. Das Stipendienprojekt, das einen Teil der Dissertation bildet, zeichnet die Entstehung des zentralen Pontusgebirges als Grenze der iranischen Welt nach.