Sevi Bayraktar (University of California, Los Angeles)

Umstrittene Choreografien: Die zeitgenössische Neukonstruktion von traditionellen Tanz- und Bewegungssystemen

Dieses Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit zeitgenössischen Interpretationen und Praktiken von traditionellen sema, und untersucht die diskursive Akzeptanz unterschiedlicher Bewegungsabfolgen. Insbesondere seit den 1990er Jahren wurden marginalisierte ethnische und religiöse Gemeinschaften als politische Akteure aktiv, was körperliche Adaptionen wie die Neukonstruktion von Bewegungssystemen, Zuschreibung neuer Bedeutungen zu früheren kinästhetischen Gestaltungen und die Wahl ungewöhnlicher Veranstaltungsorte förderte. Wir beobachten heute, dass sowohl religiöse Bewegungssysteme wie sema, über die kaum diskutiert werden konnte, also auch Volkstänze, die entweder aus dem nationalen Repertoire ausgegrenzt wurden, oder mit bestimmten Änderungen einbezogen wurden, zur Konstruktion neuer sozialer Identitäten verwendet werden. Mithilfe von Archivquellen, ethnographischen Methoden und Analysen von Choreografien soll in dem Projekt beobachtet werden, wie bestimmte traditionelle Choreografien im Zuge von Veranstaltungen wie Workshops, Aktionen, Camps oder schamanistischen Heilzirkeln gelernt werden. Daran anschließend soll verfolgt werden, wie diese gewonnenen körperlichen Mittel und Bewegungsabläufe auf andere Gebiete übertragen werden und auf diese Weise Teilnehmer mobilisieren. Zu untersuchen ist schließlich, welche sozialen Formen die neuen kinästhetischen Gemeinschaften hervorbringen, wo sie sich überschneiden und an welchen Punkten sie sich voneinander unterscheiden.